Try …

Das menschliche Leben scheint ein einziges Scheitern zu sein: Wir kommen zu spät, wir kriegen unseren Geschäftspartner nicht ans Telefon, wir werden mit unserer Arbeit nicht fertig, wir machen sowieso zu wenig Sport, wir verdrehen Buchstaben beim Schreiben (und schließen eine E-Mail ab mit den Worten »Akne vorab!«), wir vergessen, was wir sagen wollten und warum nochmal wir jetzt eigentlich in die Küche gelaufen sind, wir kaufen das Klopapier nicht rechtzeitig, wir (also ich) erwägen ernsthaft, den Wrap inklusive der Frischhaltefolie zu essen, weil wir sie nicht weggepfriemelt kriegen, und die leeren Flaschen stapeln sich in der Abstellkammer … Und über all dem Scheitern vernachlässigen wir unsere Liebsten, weil wir gar keine Mußestunden mehr haben. Es ist ein ganz eigener Reigen, eine groß angelegte Versuchsanordnung, die nur dazu dient uns zu zeigen, wie unvollkommen wir sind.

Keep on fighting, just get up every morning …

Die Dinge, die uns gelingen, sind oft nicht nachhaltig: Wäsche bügeln kurz vor dem Anziehen derselben beispielsweise, Flaschen zum Altglascontainer bringen (zumindest, falls man nicht vorhat, nie wieder etwas zu trinken), Anträge ausfüllen (deren Ablehnung unmittelbar nach Versand des Antrags im Briefkasten liegt).

Wie kommt es, dass wir bei all dem Scheitern genau so weitermachen? Weil man so hübsch viel dabei lernt? Weil es so gut tut, wenn nach dem Sturz der Schmerz nachlässt …?

Keep on making mistakes just to keep on learning …

Wäre es nicht eine Option, das Tempo zu verringern? Nein zu sagen, wenn es zu viel wird? Sich auf das zu fokussieren, was dann noch an Aufgaben übrig bleibt? Und sich am plötzlichen Gelingen zu erfreuen, also am Nicht-Scheitern? Um dann stattdessen Mußestunden mit Freunden verbringen zu können? Wann ist das passiert, dass man erst dann als volles Mitglied der Gesellschaft wahrgenommen wird, wenn man erst kurz vor dem Burn-Out steht? Oder mindestens ständig ein schlechtes Gewissen hat, weil man gefühlt nichts auf die Kette kriegt …

Ich habe keine Lust mehr auf schlechtes Gewissen … Es muss mir doch möglich sein, meine Prioritäten zu verlagern. Weil es anders nicht mehr geht. Und weil mir die Vorstellung gefällt, mal mit irgendwas fertig zu werden. Und mehr Zeit für die Muße zu haben. Eine neue Versuchsanordnung. Die bisher zum Scheitern verurteilt ist … Aber versuchen werde ich es weiterhin …

Keep embracing each day keep on yearning … just try

In Vorfreude auf den morgigen Konzertabend mein Lieblingsnorweger mit der wunderbaren Sidsel Endresen und einem Song über das Scheitern und das Weitermachen:

Try | Bugge Wesseltoft, Sidsel Endresen