Kind of Blue …

Herzlichen Glückwunsch, Octopussy.

Meine Diagnose und ich haben 5-jähriges – wenn das kein Grund zu feiern ist! Begonnen hatte alles schon vier oder fünf Jahre zuvor. Damals hatte ich immer wieder diesen einen schlimmen Albtraum, in dem ich loslaufen wollte und meine Beine mir nicht gehorchten – mein Signale im Kopf drangen einfach nicht durch, konnten die Beine einfach nicht bewegen. So verängstigt ich erwachte, so froh war ich auch, dass in Wirklichkeit alles gut war. 

Heute ist das Erwachen manchmal weniger erfreulich als das Land der Träume. Es gibt Tage, an denen ich mich kaum bewegen, geschweige denn selbst versorgen kann – der Achtärmer an meiner Seite hat kein Problem damit, er verwechselt seine Klammerei an meinen Körper mit Zuneigung und lebt somit von Luft und Liebe. 

Im Jahr meiner Diagnose gab es Hochrechnungen der Mediziner an der University of Rochester, die eine Verbreitung von Parkinson voraussagten, die einer Epidemie gleicht. Damals waren ca. 250.000 Menschen in Deutschland davon betroffen, heute geht man von 400.000 Menschen aus, die aktuell einen Oktopus in monströser Größe mit sich herumtragen, der sie an den einfachsten Bewegungen hindert. 

In der Zwischenzeit ist viel passiert. Ich habe an Studien teilgenommen, die den Verdacht von Pestiziden und Insektiziden als Verursacher meiner Krankheit belegen sollten (Es ist übrigens erwiesen, dass in Industrieländern die Rate der Parkinsonerkrankten deutlich höher ist als überall sonst). Ich erlebte viele Situationen der Abwertung durch Menschen, denen ich bei irgendeiner Bewegung zu langsam war – und die sich offensichtlich nicht vorstellen konnten, dass ich einfach nur krank bin. Ich habe einen wundervollen Mann geheiratet. Wir haben zusammen mit unseren Lieben eine Pandemie mit blauem Auge überstanden.

Was nicht passiert ist: Ich habe meine Krankheit nicht angenommen. Und ich habe auch nicht vor, das zu tun. Jede Sekunde meines Lebens macht sie sich bemerkbar durch An- oder Abwesenheit, sie verlangt permanente Auseinandersetzung, Abwägung und Entscheidung, sie schränkt ein, sie behindert, nein, sie behindert schwer, und wenn ich sie in Leichtigkeit vergesse, wiegt das Sich-Erinnern umso schwerer und legt sich eng an meine Beine. So lange es mir möglich ist, werde ich dagegen ankämpfen, dass etwas oder jemand anderes Kontrolle über meinen Körper hat als ich selbst. Und ich werde mein Bestes tun, vor anderen Menschen weiterhin offen mit dem Kraken umzugehen, um die Aufmerksamkeit auf diese Krankheit zu lenken und um das allgemeine Interesse dafür zu stärken,  Parkinson irgendwann heilen zu können.

Heute bekomme ich dabei ganz besondere Unterstützung: Unter dem Motto #sparkthenight wird die GALERIE AK2, Lorenzstaffel 8, 70182 Stuttgart | Projektraum für Kunst ihre Schaufenster illuminieren – mit einer Lichtinstallation in klarstem Blau von 20 bis 23 Uhr. 

Der Initiative der PD Avengers, die eine Fortführung des Welt-Parkinson-Tags ist, folgen weltweit über 300 Institutionen, drei davon in Deutschland. Sie soll die Wahrnehmung der unheilbaren Krankheit und deren schwerwiegenden Auswirkungen auch auf Begleiterinnen und Begleiter der Parkis hinweisen.

Gewählt wurde hierfür der 11. April – der Geburtstag von James Parkinson, der die Krankheit zum ersten Mal umfassend beschrieb.

Herzlichen Glückwunsch, James.

Wenn der Trend, der seit den 90ern dokumentiert wird, anhält, könnten wir im Jahr 2040 mehr als 17 Millionen Parkinson-Erkrankte weltweit haben. Das wäre dann eine Pandemie ohne Ansteckung. Das habe ich 2019 nicht geahnt.

Kind of Blue | Miles Davis
All Blues auf dem Spotify-Mixtape

#sparkthenight
Danke, Andreas