Das bisschen besser …
Machen wir uns nichts vor: Tag 2 mit Masterplan, und die Rechnung geht genau gar nicht auf. Innerhalb der ersten Stunde meiner Tage passiert bereits so viel (lebensentscheidendes, versteht sich), dass sich der Plan des aktuellen Tages signifikant verschiebt – und mit ihm der der kompletten Woche. »Rom wurde nicht in einem Tag …« und »Es ist noch nicht aller Tage …« und überhaupt soll man »Den Tag nicht vor dem Abend …« … Ich weiß, dass alles seine Zeit braucht – deswegen werfe ich auch »Nicht die Flinte ins …«
Und dann arbeitet man sich heran an das was man in der Dunkelheit vermuten kann,
weil die doch einiges verspricht – nur Licht gibt es hier leider nicht
Dennoch lässt sich der Prozess der selbstverordneten Schonzeit extrem zögerlich an. Und das, obwohl Verlangsamung kein Problem mehr für mich sein sollte (was mir mein rechter Arm samt Hand just in diesem Moment höchst eindrucksvoll demonstriert). Stattdessen versucht irgendein Heinzelmännchen on Speed in mir, 14 Stunden Arbeitszeit in 6 Stunden zu pressen.
Gleich springt die Uhr auf Null und das bedeutet nichts
doch es blitzt wie ein Zeichen
Ich kann mir wirklich nicht vorwerfen, nicht ausreichend offen mit meiner Erkrankung umzugehen: Meine Hauptkunden habe ich kurz nach meiner Diagnose informiert, dass und warum ich eingeschränkt bin, und alle anderen können von der mäßig subtilen URL »www.parkinsonparty.de« in meiner Geschäftssignatur auf meinen Zustand schließen.
Ich hab nichts von Veränderung gemerkt
hab nur gehört, dass es kracht, wenn man die Augen wieder aufmacht
All das Wissen um meine Befindlichkeit lässt aber weder mich noch mein Arbeitsfeld ernsthaft Rücksicht auf mein Ruhe-/Pausenbedürfnis nehmen. Im Gegenteil gehört es wohl zum guten Ton, Besprechungspausen dazu zu nutzen, schlicht weiterzuquatschen und zu ignorieren, dass nicht nur ich als Kranke, sondern durchaus auch der gesunde Mitstreiter schon blutende Ohren hat und ganz dringend einen Moment der Stille benötigt. Und wenn er auf der Toilette unter dem gebirgsbachähnlichen Plätschern der Spülung stattfindet – Hauptsache Ruhe vom Wortschwall.
Du hast dich aufgerieben wie noch nie und deine Energie ist jetzt irgendwie weg
doch es hat dich gegeben, du hast Spuren hinterlassen
immerhin jemand wird sich erinnern. Nichts ist perfekt.
An solchen Tagen renne ich im letzten Moment und eher panisch zu Therapien und bin besessen von dem Gedanken, was ich in der Zeit der Therapie stattdessen alles abarbeiten könnte. Und dann sitze ich wie heute in der Ergotherapie, spiele analoges Tetris während mir die Therapeutin dabei zusieht, und bin auf eine sehr fragwürdige Art glücklich, weil ich in diesem Moment nichts anderes tun kann und muss als genau das: analoges Tetris spielen.
Nach einer halben Stunde mache ich mich auf den Weg zurück an den Schreibtisch und denke: »So kann das nicht bleiben. Das muss alles besser werden …«
Es hat keinen Sinn zu warten bis es besser wird
Das bisschen besser wär das Warten nicht wert
Das bisschen besser | Die Sterne
Und auf der Spotify-Playlist
Gestern hat sich eine Kundin gemeldet, von der ich meistens dann höre, wenn ich gerade in den Urlaub will oder sie gerade in den Urlaub will,. Ein winziger Satz aber eigentlich steckt da alles drin: Der Mailtext lautete: „…kurz vor meinem Urlaub müssen wir jetzt natürlich noch die Welt retten und Druckdaten für ein neues Haftnotizbüchlein erstellen“…
Das war lustig und wahr und nicht wahr. Wir müssen alle mal runterfahren, wir lieben unsere Kunden und unsere Arbeit natürlich und wenn ich zurückdenke, hatte ich sehr viele solche Weltrettungsjobs, meistens Visitenkarten oder Geodreiecke. Und wenn es dann bedingt durch irgendwas Anderes nicht ging (meistens hatte der Kunde dann keine Zeit mehr, die vorbereitete Datei überhaupt anzusehen und man wartet dann 4 Wochen auf eine Rückmeldung), drehte sich die Welt trotzdem weiter. Und wenn wir tot sind vor Erschöpfung, hat keiner was davon. (Sagt Eine, die auch ab und zu um 6.00 Uhr aufsteht, weil der Tag sonst zu kurz ist.) Wir müssen uns alle verlangsamen. Das Leben ist kurz. Wir versuchen ab sofort unser Bestes oder?
Wie recht Du hast (ich heul schon wieder). Wir versuchen unser Bestes … eh! ❤️