Time …

Irgendwann in den vergangenen Monaten habe ich aufgehört, an Zeit zu glauben. An »Das wird schon« und an »Die Zeit heilt alle Wunden«. Manche Dinge lassen sich nicht aussitzen. Abwarten und Tee trinken ist keine Alternative mehr. Und morgen sind die Dinge keinen Fatz anders als heute. Und falls doch, dann sicher nicht, weil sich auf irgendeiner behämmerten Uhr der Zeiger weitergedreht hat.

‘Cause tomorrow’s just another day
And I don’t believe in time

Wenn man wie ich im Dezember geboren ist, kann man an seinem Geburtstag doppelt zurückschauen: auf das vergangene Jahr und auf das vergangene Lebensjahr. Ein Resumée-Duett sozusagen. Selten, wahrscheinlich nie, waren 12 Monate meines Lebens so verwirrend und klärend, so herausfordernd und milde zugleich wie die meines 49. Lebensjahres, das ich morgen abschließe. Mit Pauken und Trompeten, versteht sich.

I don’t know where I’m goin‘
I think I’m out of my mind

Verunsicherung vs. Gewissheit vs. Verunsicherung: Das Jahr begann mit einer endlosen Erschöpfung, chronischen Schmerzen, einem völlig unbeweglichen Arm und einer Verunsicherung, die einer subtilen bösen Vorahnung glich. Es endet erschöpft, schmerzend, aber wieder beweglich und mit der Gewissheit, eine unheilbare Krankheit zu haben. Das, liebe Lesende, macht einen zuweilen wahnsinnig. Die Verunsicherung der Anfänge ist der Verunsicherung der Gewissheit gewichen.

Can you teach me ‚bout tomorrow
And all the pain and sorrow running free

Abschied vs. Anfang: Das Jahr begann mit der ein oder anderen Trennung von sogenannten Freunden. Das ist zweifellos traurig. Doch mein Lebensjahr endet mit vielen neuen Freundschaften, die erkundet werden wollen und: mit dem Wiederauftauchen alter Freunde.

Time is wasting time is walking
You ain’t no friend of mine

Sperrmüll vs. Schöner Wohnen: Das Jahr begann mit dem Einrichten einer Wohnung für 3,5 Familienmitglieder. Zuvor hatte ich mich von guten und schlechten Dingen getrennt, um mein Alleinerziehendendasein mit leichtem Gepäck und leichtem Herzen zu verlassen. Es endet mit einem neuen Zuhause-Gefühl.

Time without courage
And time without fear
Is just wasted, wasted
Wasted time

Stress vs. Inspiration: Das Jahr begann mit der Trennung von anstrengenden Kunden und der Entscheidung, vorerst nicht mehr zu akquirieren. Und dann schlug mir eine Welle der Empathie durch die verbliebenen Kunden entgegen, eine Welle, auf der interessanteste und voluminöse Projekte bekannter und neuer Auftraggeber angesurft kamen.

Time the past has come and gone
The future’s far away
And now only lasts for one second, one second

Pussy: Das Jahr begann mit einem Riesenkraken, der mir an die Hüfte gewachsen ist, der mich ununterbrochen ärgert und malträtiert. Es endet mit dem Versuch, ihn mir zum Freund zu machen. Wir sind in dem Prozess noch nicht besonders weit.

Time why you walk away
Like a friend with somewhere to go
You left me crying

Was für ein unterirdisches Lebensjahr. Und wieviel Gutes zusammen mit dem Mist angespült kam. Trotzdem gut, dass in einer Stunde ein neues beginnt. Happy Birthday to me.

‘Cause tomorrow’s just another day
And I don’t believe in time

Time | Hootie and the Blowfish
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