Rollercoaster ride …

Manche Dinge sind am besten, wenn sie vorbei sind. Zahnoperationen zum Beispiel oder schlechte PowerPoint-Präsentationen* oder Musicalvorstellungen**. Und manchmal auch Freundschaften. Insbesondere die, die in einer bestimmtem Lebensphase aufgrund temporärer Umstände geschlossen werden:

Oh, wir wurden beide verlassen.
Oh, wir haben beide dieselbe Krankheit.
Oh, wir haben beide ein Kind in derselben Krabbelgruppe.

Lass uns Freunde sein!

Mit etwas Glück finden wir im Verlaufe des Befreundetseins weitere Gemeinsamkeiten, und sich zu treffen und sich auszutauschen ist weiter möglich, obwohl die Kinder schon die Windeln (oder das Haus) verlassen haben.

Manchmal ist es aber einfach vorbei: beispielsweise, wenn die scheinbar beste Freundin unverschämterweise den Mann oder die Frau fürs Leben gefunden hat. Oder wenn der Leidensgenosse geheilt ist und in unanständigem Ausmaß das Leben genießt. Oder wenn die Zeiten des Prosecco am Sandkasten vorbei sind und die andere Mutti jetzt lieber Karriere macht.

Dann wird es schwierig …

Zunächst spüren wir es nur subtil, dieses Unwohlsein … doch dann wird das Gefühl sehr deutlich: irgendwo auf dem Weg an irgendeiner Kreuzung sind wir in unterschiedliche Richtungen abgebogen. Plötzlich verbringen wir Zeit mit jemandem, der sich für unsere neue Lebenssituation nicht mehr interessiert, nicht mehr auf unserem Weg mitgehen kann, alles so haben möchte, wie es zuvor war. Und dann kommt das Gespräch. Vorwürfe, Unverständnis, Ansprüche. Eine Gefühlsachterbahn voller Abgründe.

Schatz, es liegt nicht an mir, es liegt an dir …

Ein kleiner Gedankenausflug: In den ersten Wochen nach der Diagnose musste ich einem eher weniger unterhaltsamen Powerpoint-Vortrag beiwohnen. Anders formuliert: Das Thema war für mich nur so semi-relevant, auf den Folien stand Text, sehr viel Text, und der Vortragende tat das, was man auf gar keinen Fall tun sollte, wenn man die Zuhörer auf seine Seite bringen möchte: Er las den vielen Text vor. Mit dem Enthusiasmus eines Faultiers. Im Winterschlaf.

Ich saß da, schaute auf die Leinwand und kurz bevor ich einnicken konnte, sagte eine freundliche Stimme in meinem Kopf: »Für diesen Quatsch sterben gerade ein paar hundert Nervenzellen in deinem Hirn ab. Echt jetzt? Haben wir nichts Besseres vor? Etwas, was Freude macht? Oder uns sonst irgendwie weiter bringt?«

Fluchtgedanken.

Da habe ich zum ersten Mal bemerkt, wie weit die mentalen Auswirkungen meiner Krankheit reichen … dass ich Dinge noch entschiedener und klarer bewerte … und dass ich keine Lust auf Dinge und Menschen habe, die mir wortwörtlich den letzten Nerv rauben und mir nichts zurück geben. (Nur die Tatsache, dass Höflichkeit in meinem Wesen ausgeprägter ist als Direktheit, hat mich davon abgehalten, den Redner beleidigend aus dem Vortragsraum zu stürmen.)

Fakt ist: Wir haben Besseres zu tun.

Wirklich! Nicht nur können wir uns bei schlechten Präsentationen unauffällig oder laut polternd empfehlen. Wir können auch unsere Zeit verbringen mit Menschen, in deren Gegenwart die Energie in beide Richtungen fließt. Die sich mit uns weiterentwickeln. Die sich über unsere Erfolge mitfreuen. Für die wir im Zweifelsfalle mit Vergnügen einige Nervenzellen opfern.

Und die anderen?
It’s better than I believed that it’s over …

Rollercoaster ride | The whitest boy alive
Und hier auf der Spotify-Playlist.

*Werbung/Wirklich gelungene Powerpoint-Präsentationen gibt es bei www.slide-by-slide.de

**No offense – schieben wir meine negative Beurteilung dieser Musiktheaterform auf mein fehlendes Kunstverständnis. Einverstanden?