Use the force …
Die letzte Woche war die letzte vor den offiziellen Atelier-Ferien, und sie hat mich komplett in Beschlag genommen. Es hat sich ein bisschen angefühlt wie der Vorratseinkauf vor den Weihnachtsfeiertagen … Meine Kunden haben mich sozusagen ausgeplündert, was vermutlich daran liegt, dass ich auf die Frage nach dem Zeitpunkt meiner Rückkehr meistens scherzhaft geantwortet habe »Januar 2020. Ungefähr.«. Kein Wunder also, dass alles vor meinen Ferien fertig werden sollte – selber schuld, Signora Rossi! Und bin ich fertig geworden mit allem? Nein, natürlich nicht!
I must believe I can do anything
Der Versuch, vernünftig mit den eigenen Körperkräften zu haushalten und gleichzeitig maximal über die Grenzen zu gehen, hat mir ein weiteres Mal gezeigt, dass ich mein Arbeitskonzept krankheitsgemäß überdenken muss. Der berufstherapeutische Ansatz jedenfalls – 50 Minuten Arbeit, 10 Minuten Pause. Da capo. – entpuppt sich in meinem Fall als utopisch und realitätsfremd. Wenn ich an einer Sache dran bin – ganz egal, ob im Entwurfsprozess oder in der Umsetzung – dann bin ich dran, mit maximaler Intensität, mit höchster Konzentration und vor allem mit unbändiger Freude und Begeisterung. Völlig abwegig, einen Wecker auf 50 Minuten zu stellen und beim Ertönen des Alarms vom Rechner wegzuspringen. Springt man denn aus Wagen 42, wenn der ICE endlich volle Fahrt aufgenommen hat? Eben. Stattdessen freut man sich wie ein Schnitzel, dass das Ding fährt, dazu noch in die richtige Richtung, dass Heizung und Klimaanlage funktionieren, und ansonsten bleibt man – Pipi-Pausen ausgenommen – hübsch sitzen bis man das Ziel erreicht hat. Und genauso mache ich das mit meiner Arbeit: Ich bleibe – Pipi-Pausen ausgenommen – hübsch am Job sitzen bis er fertig ist – körperliche Grenzüberschreitungen gibt’s da nunmal als Bonus obendrauf.
I must believe I’m a rocket man, I’m a superstar
I must believe I can be anyone
I must believe I can step beyond all of my boundaries
Während meiner persönlichen täglichen Höchstgeschwindigkeitsreise von einem Job zum nächsten, blieb das Leben rundum nicht stehen: persönliche Begegnungen in der Klinik und im nahen Umfeld, Nachrichten von Freunden oder auch nur Beobachtungen: Ich bin nicht die einzige, die ein wirr geschnürtes Paket von Ungewissheit, Schmerz und Furcht auf den Schultern balanciert. Menschen, die einen schweren Verlust erlitten haben, Menschen, die einen Rückschlag im Genesungsprozess verkraften müssen oder einfach unheilbar erkrankt sind, Menschen, die sich große Sorgen um ihre Nächsten machen … all jene habe ich die letzten fünf Tage erlebt, und jeder von uns sucht einen möglichst guten Umgang mit dem uneinschätzbaren Gewicht auf dem Rücken.
I must believe I can heal anyone
Es gibt so vieles, an dem wir verzweifeln könnten, und doch tun wir es nicht, denn Klinikmantra = Lebensmantra: »Aufgeben ist keine Option.« (Oder so. Peinlich. Ich bin nicht sicher, was an der Eingangstür steht, aber sinngemäß kommt das hin …). Allerdings können wir es uns dabei unfassbar schwer machen und beginnen, mit uns, mit dem Schicksal, mit unserer Situation, mit dem Verursacher – wer auch immer für diesen kaum erträglichen Quatsch verantwortlich ist – zu hadern. Und damit alle uns noch zur Verfügung stehende Lebensenergie verpulvern. Geht. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich viel Verständnis für all diejenigen, die über lange Strecken verzweifeln. Weil es Kraft kostet, das Ungewisse auszublenden und das Schöne wiederzufinden.
I am the wind, I am the sea, I am the sun
I can be anyone
Ich halte mich vom Schicksal, das mir auf so unausweichliche Weise diese schreckliche Krankheit aufs Hirn geschissen hat, irgendwie merkwürdig bevorzugt, weil es mir bisher gelingt, nicht zu verzweifeln und stattdessen fokussiert und positiv zu bleiben (Schicksal: »Oh, Signora Rossi, du hast aber eine ganz schön blöde Krankheit von mir verpasst bekommen; dann statte ich dich wenigstens mit übermäßigem Optimismus und unzerstörbarem Lebenswillen aus«, Signora Rossi: »Oh, danke, liebes Schicksal, wie gerecht von dir!«).
It won’t be hard for me to feel what there must be
Alle, die aus meiner Kraft neue Kraft für sich selbst schöpfen können: Be my guest – es macht mich sehr glücklich, wenn jemand sich von mir oder meinen Texten inspiriert fühlt, und geteilte Kraft ist doppelte Kraft! Lasst uns aus den schweren Rückenpaketen Geschenkboxen machen! Und denkt dabei immer wieder einmal daran, dass diese Kraft in jedem von uns liegt. Auch wenn sie manchmal vergraben und schwer zugänglich ist: Buddeln lohnt sich. Und dann: Use the force.
I can do anything
I know I’m gonna get myself together
Use the force
Use the force | Jamiroquai (Live at Montreux 2003)
Studioaufnahme auf der Spotify-Playlist