Sideways …

Was schön wäre: Im Jetzt zu sein. Nicht an gestern zu denken, nicht an morgen, denn das Gestern ist unveränderlich und das Morgen unvorhersehbar.

You know it ain’t easy
For these thoughts here to leave me.

Wenn ich nicht gerade bei Ärzten oder Therapien bin, versuche ich, möglichst wenig an mein Kranksein zu denken. Ich nehme mit Vergnügen Termine wahr, bearbeite gewissenhaft meine Projekte, treffe liebe Freunde, kümmere mich semienthusiastisch um die Wäsche, koche umso lieber eine Kleinigkeit. Das geht zumeist sehr gut. Und manchmal ist es ein mühevoller Kampf, den ich nicht gewinnen kann. Parkinson übernimmt vielleicht gemächlich, aber garantiert die Kontrolle über den Körper des Erkrankten. In Terminen fühle ich mich dann unsicher, weil meine Stimme zu zittern und zu kratzen beginnt. Wenn ich zu lange am Stück arbeite, verkrampft und versteift sich mein Körper. Bei lebendigen Unterhaltungen verwechsle ich dann Wörter, merke es und spreche trotzdem das falsche Wort aus. Ich verzweifle an einem auf links gedrehten Kleidungsstück, das ich auf den Ständer hängen will. Und das Kochmesser muss ich mit der linken Hand mühevoll aus der rechten schälen, weil die Finger es freiwillig nicht hergeben wollen.

There are no words to describe it
In french or in english

Und manchmal wache ich schon auf mit dem Gedanken an das Kranksein. Mit unbändigen Schmerzen. Mit der Unbeweglichkeit. Mit der Hilflosigkeit. Mit der Unsicherheit. Mit der Angst. Der Krake baut sich auf, beginnt zu brüllen, ein Höllenlärm, der jedes andere Geräusch neutralisiert und bedeckt mich dabei mit schmutzigem, schmierigem Meerwasser. Ich will sagen: »Ich will deinen ganzen Dreck nicht«. Aber meine Stimme zittert und kratzt und ist unhörbar.

Cuz diamonds they fade
And flowers they bloom
And I’m tellin you

Wenn ich da so stehe, halb taub von dem Geschrei, nass tropfend vom Krakengespeie, ist mir unklar, wie ich mich wieder gesellschaftstauglich kriege. Ich versuche mich zu erinnern, wie es beim letzten Mal ging und nehme fürs Erste eine warme Dusche. Während das Wasser den knisternden Seifenschaum abspült, bereite ich mich innerlich auf den nächsten Angriff vor.

These feelings won’t go away.
They’ve been knocking me sideways.

Das Gestern ist vielleicht unveränderlich. Aber es bietet gute und nicht so gute Erfahrungen, aus denen wir lernen können. Und das Morgen eines Parkis ist nicht ganz so unvorhersehbar. Es bringt sicher mindestens die selbe Menge an Unsicherheiten wie das Heute.

I keep thinking in a moment that
Time will take them away

But these feelings won’t go away

Sideways | Citizen Cope
Und die Playlist