Shut your mouth …

Liebe in Zeiten der Cholera von Corona: viele ein bisschen verrückt, viele etwas hysterisch, viele pseudocool. Die Älteren und die mit Vorerkrankungen zwischen panisch und aktiv verdrängend. In Windeseile hat sich ein roter, gefährlich pulsierender Punkteteppich über die Weltkarte gelegt.

What’s your opinion on the dire situation
In our land here

Währenddessen überlege ich ganz selbstreferenziell, ob es nicht extrem selbstreferenziell ist, einen Blog zu schreiben, der sich nur um mich und meine Befindlichkeit dreht. Absolut betrachtet und natürlich besonders in Bezug auf die allgemeine Lage. Der Gedanke blockiert mich, und ich bin froh, dass ich zu beschäftigt mit den Herausforderungen des Alltags bin, um einen Text zu schreiben.

I wanted to say something
Oh shut your mouth

Ich arbeite so viel ich kann und bin positiv überrascht über jede Sekunde, in der das möglich ist. Einen unangenehm hohen Anteil der restlichen Zeit verbringe ich verzweifelnd und widerspreche damit meiner eigenen Prämisse, nach der jeder selbst entscheiden kann, wie er sich fühlen möchte. Das klingt ganz einfach (oder sehr naiv), und die Haltung, immer Herrin in meinem eigenen Haus (über mein mentales Wohlbefinden) zu bleiben, hat mir immer gute Dienste geleistet.

Play it smart girl
Win the game love

Wenn Umfeld, Vergangenheit, Ängste, Schmerzen sich künstlich aufspielen und das Ruder übernehmen wollen, bedarf es allerdings einiges an Willenskraft, um dagegen anzustinken.

Zum Beispiel, wenn du freitags nach der Blutabnahme einen Anruf in Abwesenheit hast, die Nummer als die deines Arztes identifizierst und ab da sicher bist, Träger eines Virus zu sein, der über Nacht größere Berühmtheit erlangt hat als Justin Bieber (oder als der Papst. Oder oder oder … insert your favourite). *

Shut your mouth
Try not to panic

Oder wenn dein Kopf entscheidet, dass jetzt Rummel angesagt ist und mit dir rückwärts Karussell fährt. Wäre heute irgendetwas anders/besser, wenn ich/wenn sie oder er/wir diese eine Sache anders gemacht hätte? Und falls ja, was, verdammte Haxe, kann ich heute tun, um das Geschehene rückgängig zu machen? Wer hat noch nicht, wer will nochmal? Dein Kopf gibt jederzeit eine Freifahrt aus, bei der du garantiert nicht von der Stelle kommst, obwohl Du ständig in Bewegung bist. Wie gesagt: rückwärts. **

Would you confess if we asked
That you nurture the urge

To declare that it’s time
To settle down
With a man of your own
You want … a piece of security

Oder wenn dein persönliches Monster noch weniger schläft als du selbst und so lange seine Muskeln spielen lässt, bis du auch wach bist. Dann liegst du da, mit roher Gewalt umschlungen von acht kalten, schweren Armen und versuchst dich selbst zu überzeugen, dass auch wieder Nächte kommen, in denen das Biest selbst zu müde ist, um dich zu nerven. ***

He made you
He can’t live without you.

Oder wenn in deinem Land die Schulen schließen und die Supermärkte ausgeräumt werden als wäre Krieg (ich habe mich bis gestern gefragt, was die vielen Hamsterkäufer mit dem ganzen Klopapier machen. Dann habe ich am Nachmittag das Drogerieregal mit dem nicht vorhandenen Dörrobst gesehen …). ****

And the world spins by
With everybody moaning

Pissing, bitching and everyone is shitting
On their friends
On their love
On their oaths

On their honour
On their graves
Out their mouths
And their words say nothing

Nennt mich naiv, doch ich bin davon überzeugt:
Ob wir achtsam sind oder lieber in Panik verfallen, ob wir uns untereinander stützen oder alle sozialen Kontakte kappen, ob wir die nächsten vier bis fünf Wochen für uns lernen zu nutzen oder ob wir mit der Situation nur hadern, ob wir uns gegenseitig helfen oder persönlich oder wirtschaftlich Betroffene hängen lassen, ob wir im Bedarfsfall etwas von unserem Klopapier abgeben: Es liegt an uns, wie wir uns zueinander verhalten, wie wir Gemeinschaft gestalten. Es liegt an uns, wie wir uns fühlen wollen – jeder für sich und wir alle zusammen.

You could go far
Make a landmark
Make a shit load.

Shut your mouth | Garbage
Jetzt habt Ihr endlich Zeit, Musik zu hören: Spotify–Playlist

Nachtrag:
* Die Sprechstundenhilfe hatte nur eine organisatorische Rückfrage.
** Der Rummel wurde bekanntermaßen abgesagt.
*** Wenn es hart auf hart kommt, gibt es bei uns Krakensalat satt für alle.
**** Hat jemand 80 Gramm Kokosflocken übrig?