I cut like a buffallo

»Uh-oh«, tönt es zwischen zwei prallen Melonen hervor als ich in das koreanische Restaurant hineinschwanke. Es handelt sich dabei nur um eine kleine Disbalance – der Krake sorgt auf unbekanntem Terrain manchmal dafür, dass ich den Abstand zwischen mir und dem Boden nicht richtig einschätzen kann und verursacht einen unsicheren Tritt. 

Well you know I look like a woman but I
Cut like a buffalo
Stand up like a tower, tall
But I fall
Just like a domino

Nach zehn Urlaubstagen voller köstlicher landestypischer Speisen wollen wir uns ein Mahl ohne Knoblauch und Olivenöl gönnen. Mein Liebster hat uns am Nachmittag einen Tisch für zwei für den Abend klar gemacht. Wir sind im Weglaufen leicht unsicher, ob der Manager des Restaurants auch nur in Ansätzen verstanden hat, was wir von ihm wollten. Gegebenenfalls hat er lediglich bestätigt, dass wir bei ihm Kung Fu erlernen können und dass die erste Lektion heute abend stattfinden wird. Weder unser Koreanisch noch unser Spanisch reicht für eine Platzreservierung aus. So sind wir positiv überrascht, dass Bruce Lee sich nicht nur unsere Gesichter eingeprägt hatte, sondern auch den Namen des Liebsten notiert hatte. Er führt uns zu unserem Tisch im Freien, während ich denke, dass Englisch einfach eine Weltsprache ist.

Am Nachmittag war eine Maileinladung eingetrudelt: »… in der Anlage erhalten Sie den Link für den Teaser des ExpertenTalks zum Thema Parkinson und Blasenstörungen am 11. Oktober 2021.« Juhu. Danke für die wundervolle Aussicht. Das Wort »Blasenstörungen« will mir nicht mehr aus dem Kopf schwinden. Beim Einnehmen unserer Plätze verspüre ich den entsprechenden, nicht ignorierbaren Drang. Völlig irrational und vermutlich psychisch ausgelöst. Das koreanische Bier wird serviert, dann mache ich mich auf, die heiligen Hallen aufzusuchen. Ich widersetze mich der Empfehlung des Liebsten, die zweite Tür zu nehmen, wähle den ersten der beiden Eingänge und trete schwankend ein. 

Wake me up when it’s broke
Only if it’s broken

Zwei Urlauberinnen sitzen schräg zum Eingang und beobachten meinen wackeligen Auftritt. Die vollbusigere der beiden nimmt offensichtlich an, ich sei betrunken. »Uh-oh«, presst sie zwischen ihren Melonen hervor, zieht eine Augenbraue hoch und hat mit ihrer nicht gerade komplexen und ebensowenig einfallsreichen Lautmalerei ihr Urteil über mich gefällt. Ich entscheide mich dafür, die Situation wegzuatmen, und erfrage beim Kellner den Weg zu den Waschräumen. Als ich an unseren Tisch zurückkomme, bin ich immer noch aufgebracht. Der Liebste bietet an, den Damen physisch zu antworten, während ich überlege, nochmal reinzugehen und die Sache klarzustellen. Dass ich Parkinson habe. Dass ich trotzdem ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft bin. Dass nicht jeder betrunken ist, der so aussieht, auch wenn auf dieser Insel die Wahrscheinlichkeit hierfür sehr hoch ist. Und überhaupt don’t judge a book by its cover, ihr hässlichen Krähen. Alternativ ziehe ich in Erwägung, den beiden Gift und Galle an den Hals zu wünschen, erinnere mich aber rechtzeitig daran, dass ich mit solchen Wünschen zu oft Erfolg hatte. Einen Knöchelbruch möchte ich heute nicht mehr verantworten.

Is that you choking?
Or are you just joking?

Bruce Lee serviert die Vorspeise, und wir schwelgen in einem koreanischen Gedicht aus Lachs, Avocado und Kimchi. Und dann fällt mir mein eigenes Mantra wieder ein. Es geht Dich nichts an, was andere von Dir denken. Wie erlösend. Unser Hauptgang wird serviert, während die beiden Grazien das Lokal verlassen. Aus dem Augenwinkel meine ich zu erkennen, wie eine von beiden umknickt …

You can hit me if you want to, hey
Do whatever makes you happy
You should try to take it easy on me
Cause I don’t know how to take it

I cut like a buffalo | The Dead Weather
Whatever makes you happy auf der Spotify-Playlist