Pink Cashmere …

Weihnachten kommt zusammen mit dem Jahresende wieder sehr überraschend. Für mich, für meine Familienmitglieder, für meine Freunde, für meine Kunden. Jedes Jahr reden wir uns ein, dass der Dezember vier Wochen hat, und jedes Jahr realisieren wir: Es sind eigentlich nur zwei. Der Rest ist Feierei.

Oh, the cycle never ends
You just pray you don’t get burned

Also füge ich mich tapfer meinem Schicksal, so wie alle anderen auch. Ich arbeite, in der Hoffnung, in diesem Leben noch mit allem »rechtzeitig« fertig zu werden, und immer, wenn ich das Gefühl habe, Herrin der Lage zu sein, stürzt eine Mail-Lawine über mir zusammen und lässt mich leicht derangiert mit einem Mund voller Schnee in einem Buchstabenhaufen zurück. Ich bestelle Geschenke online, was ich selbst abscheulich finde, aber ich finde nicht die Zeit, durch die Stadt zu schlendern und glühweintrunken die Schaufenster nach Dingen zu durchforsten, die meinen Nächsten Freude bereiten könnten. In der Nacht von Freitag auf Samstag habe ich meine Bestellorgie gestartet. Selbstredend ist noch nichts angekommen.

Girl, can you understand
I never used to go dancing
I, I was the kind of man who rather stay at home

Und ich stricke. Es geht ja angeblich nichts über selbstgemachte Geschenke. Und was soll ich auch anderes tun als zu arbeiten und die Nadeln zu schwingen? Ich kann ja das Haus nicht verlassen – so ein Paketzusteller ist ein zartes Pflänzchen. So zart, dass er es nicht in die 3. Etage schafft. Ich muss den jeweiligen Herren also entgegengehen und zwar zügig. Denn wenn ich nicht schnell genug bin, drehen sie potenziell auf dem Absatz um, verlassen das Haus und werfen mir ein hübsches Kärtchen in den Briefkasten. Das ist für Menschen mit krankhafter Verlangsamung natürlich sehr lustig. Ich bleibe also in Habachtstellung zuhause, Sportschuhe an den Füßen, damit ich den richtigen Grip habe, wenn es klingelt. Und denke darüber nach, dass Paketzusteller in der Vorweihnachtszeit vermutlich sehnsüchtiger erwartet werden als so mancher Ehepartner.

Oh, this fire inside of me
Don’t nobody realize
Oh, what you are to me

Nicht so bei uns. Zum Beweis stricke ich meinem Liebsten eine weiche, knallrote Decke als Weihnachtsgeschenk. Das ist ein sehr herausforderndes Unternehmen für jemanden mit eingeschränkter Feinmotorik. Jede Reihe nimmt ca. 35 Minuten in Anspruch und je mehr Reihen fertiggestellt sind, desto schwerer wird das gute Stück und behindert mit seinem Gewicht den flüssigen Handarbeitsvorgang. Aber ich bleibe tapfer dran …

But baby you got to learn
I’m making you a coat of pink cashmere
You got to know how I feel about you
How I always want you near

Zwar habe ich die Decke zu Weihnachten angekündigt, mich aber glücklicherweise auf kein konkretes Jahr festgelegt: Am Ende einer Reihe muss ich fast jedes Mal die Finger der rechten Hand mit der linken aufbiegen. Und es liegen noch sieben Knäuel vor mir. Von neun.

I’m making you a coat of pink cashmere

Ein Ersatzgeschenk ist natürlich längst bestellt. Ich warte auf den Paketzusteller und hoffe, ihn nicht zu verpassen …

I’m counting every minute of every hour
Til you are here

Pink Cashmere | Prince
Ganz soft auf der Spotify-Playlist