Nah bei dir …

Mir wurde jüngst das ganz reizende Kompliment gemacht, dass meine krankheitsbedingten, stark verlangsamten Bewegungen eine beruhigend-entschleunigende Wirkung hätten (ich wurde beim Zubereiten eines Risottos beobachtet). Heute habe ich das Gefühl, die ganze Welt kommt in den Genuss einer Entschleunigung.

Die Magnolien blühen und sind sich selbst genug.

Wer seine Murmeln einigermaßen beisammen hat und sich und seine Lieben keinem Risiko aussetzen möchte, bleibt hübsch zuhause. 

(Es sei denn, es braucht Klopapier   – dann muss man natürlich raus. Am besten morgens um halb acht, weil eine halbe Stunde nach Ladenöffnung die Regale schon wieder leer sind. Der Deutsche scheint nichts im Kopf zu haben als Scheiße.)

Die jüngste Lieblingsstieftochter wurde gestern »kurz« dankenswerterweise von der mittleren Lieblingsstieftochter aus Bayern befreit, und so ist die Wohnung voll besetzt. Frau Lohse und ich sitzen im Erker des Ateliers (»Homeoffice« hat eine reelle Chance Wort oder Unwort des Jahres 2020 zu werden) und sind eigentlich ganz zufrieden. Ich hoffe zumindest, dass ich ihr Schnurren richtig interpretiere. 

Während wir da so zufrieden sitzen und 50% von uns mit Kopfhörern Musik hören, denke ich darüber nach, ob die Gesangsstunde am Montag stattfinden wird. Ich darf jetzt einen richtigen Song einüben – meine Gesangslehrerin und ich haben vor einigen Wochen zusammen ein Stück aus meinem Geburtsjahr ausgesucht – Close to you von den Carpenters –, dem jetzt eine ganz neue Bedeutung zuteil wird. Körperliche Nähe ist derzeit nicht so en vogue, doch glücklicherweise gibt es noch andere Wege und Möglichkeiten, sich nahe zu sein. Zum einen Musik: Mein Krake und ich singen im Geiste ständig »My Corona« auf der Melodie von »My Sharona«. Motiviert davon, den Ohrwurm los zu werden, haben wir kurzerhand für alle vernünftigen Zuhausebleiber mit viel Liebe eine eigene Playlist erstellt, die Songs mit ähnlich sinnvollen und sinnlosen Assoziationen vereint. Wir hoffen auf viele Zuhörer und freuen uns, wenn sich der ein oder andere dank des Quarantäne-Soundtracks ein bisschen weniger alleine oder weniger ängstlich fühlt.

Und dann haben wir ja inzwischen vielerlei Möglichkeiten der Kommunikation: E-Mails, Videomeetings, Telefon, und zur Erinnerung: Es gibt auch Postkarte und Brief! Dauern etwas länger, sind aber sehr persönlich, und die Geschwindigkeit, mit der die Distanz von Absender zu Empfänger überbrückt wird, passt gut zur allgemeinen Entschleunigung.

Es ist, als bereite das Universum einen gigantischen Topf Risotto zu.
Oder es hat Parkinson.

Die deutschsprachige Interpretation von Close to you heißt
Nah bei dir | Erdmöbel
Erdmöbel-Konzerte sind immer ein Besuch und ihre Alben immer einen Kauf wert!
Zu finden auf der Spotify-Playlist

Und ebenfalls auf Spotify findet Ihr die Quarantäne-Playlist »octopussy stays at home«
Playlist und Liebe gerne teilen teilen teilen.