I can’t go for that …

Halb vier Uhr morgens: Seit zwei Stunden liege ich wach, todmüde, weil ich bereits die Nacht zuvor kaum geschlafen habe. Immerhin gibt es so viele mögliche Gründe für die Schlaflosigkeit, dass ruhige Nächte im Reich der Träume eigentlich ohnehin sehr unwahrscheinlich sein müssten. Nebenwirkungen der Medikamente (wenn ich schon keine Spielsucht entwickle), die Krankheit selbst (Schmerzen oder Sorgen – frei wählbar), aufkeimende Wechseljahre (dafür bin ich doch viel zu jung!) oder die schiere Überladung der Speicherkapazitäten des Oberstübchens (gibt es dafür eigentlich externe Festplatten?): Ich betrachte die Optionen und such mir was Hübsches aus. Das Ergebnis bleibt das selbe: Die Katzen haben sich schnarchend um mich versammelt. Ich liege wach.

Easy, ready, willing, overtime

Um die Situation effektiv zu nutzen, serviert mir mein Kopf den schönsten Hirnfasching (auf dem Silbertablett mit Serviette zum Nachtupfen, falls die Gedankenbrocken schwer runterzukriegen sind). Neben dem Wust an Arbeit, den ich durchgehe, im Dunkeln durch den Raum starrend, erinnere ich mich an ein Gespräch vorletzten Abend beim Essen mit Freunden.

Es ging um den Blog und darum, dass auch meine Kunden ihn lesen können. Kunden, die vielleicht die Arial richtig gut finden oder Besprechungen nur dann als gelungen betrachten, wenn sie mindestens vier Stunden am Stück dauern und ohne Frischluft-, Nahrungs- und Getränkezufuhr auskommen. Kunden, die sich ertappt oder beleidigt fühlen könnten, wenn sie die entsprechenden Zeilen lesen … und in letzter Konsequenz nicht mehr, oder wenigstens nicht mehr gerne mit mir zusammenarbeiten wollen könnten. Da überlegt man natürlich, ob man was ändern muss … Hm.

I can’t go for being twice as nice …

Mein Grad an Offenheit in meinen Texten war bisher keine rationale Entscheidung. Wenn man unter diesen Umständen einen öffentlich zugänglichen Blog beginnt, will man sich vor allem etwas von der Leber schreiben, sucht und findet idealerweise einen Weg der Verarbeitung und Begleitung … Und natürlich ist es eine wunderbare Gelegenheit, anderen einen Einblick in die eigene Befindlichkeit mit allen Irrungen, Wirrungen und Freuden zu geben (Bei uns schon ein eingespielter Dialog »Wie geht es dir heute?« »Lies den Bloooog!«). Natürlich könnte ich das nur im privaten Rahmen machen … aber warum?

I’ll do almost anything that you want me to

Im Arbeitsumfeld sind wir nicht nur Kunde und Dienstleister, es begegnen sich auch immer zwei Menschen mit Geschichten, Erfahrungen, Sorgen. Irgendwie können wir uns sicher vor dem persönlichen Anteil wegducken. Ich für meinen Teil finde es schöner (und in der besonderen Situation gesünder … haha!), mit Menschen zusammenzuarbeiten, die bei aller Professionalität wie ich eine angemessene Zugewandtheit zu schätzen wissen. Und es ist viel leichter zu kommunizieren, dass man wegen Reha zwei Nachmittage die Woche nicht zur Verfügung steht als irgendwelche fabulösen Termine zu erfinden.

Seit ich den Blog schreibe, erhalte ich die wundervollsten Reaktionen auf meine Texte und die verständnisvollsten Reaktionen auf die Umstände, die zu den Texten führen: Anerkennende Worte am Telefon, Mails, die mich vor Rührung Tränen vergießen lassen und Erzählungen eigener schmerzlicher Erfahrungen … Gerade die Menschen aus meinem professionellen Umfeld überraschen mich mit einer großen Offenheit. Danke dafür.
Und keiner der Kunden ist bisher wegen seiner großen Liebe zur Arial abgesprungen. Danke auch dafür.
Natürlich könnte ich sicherheitshalber den Blog in der Arial setzen …

… but I can’t go for that

I can’t go for that | Daryl Hall und Cee Lo Green, live at Daryl’s House

Auf der Spotify-Playlist interpretiert von the bird and the bee