Cheat on me …

»Alles wird gut«, sagte heute einer der Schlagi-Patienten zu mir, als ich in der Ergo-Gruppe versuchte, das Unmögliche zu schaffen. Die Aufgabe war, mit der schlechten Hand ein Blatt Papier durch die Finger zu bewegen. Mehr als das Blatt zu halten war bei mir nicht drin. Ich sah ihn ungläubig an, und er wiederholte »Doch, wirst sehen, es wird immer alles gut«. »Aha«, erwiderte ich. »Halt doch deine Klappe«, dachte ich.

Es ist immer ein sorgsames Abwägen nötig, ob ich mein Gegenüber mit den Tatsachen konfrontiere, ob ich stattdessen schweige und hoffe, dass der angebrochene Dialog ein Monolog bleibt, oder ob ich meinen mehr oder minder flüchtigen Gesprächspartner schlicht belüge.

I could be someone else if you’d rather …

Die ehrliche Variante »Ich habe Parkinson« endet oft in absurden Situationen. Viele wissen nichts über die Krankheit, so dass ich mich in der misslichen Lage befinde, zu erklären, was mit mir passiert und es gleichzeitig herunterzuspielen, damit sich niemand unnötige Sorgen um mich machen muss … und währenddessen kehrt die unausweichliche Misere der Erkrankung zurück in mein Bewusstsein.

Dann gibt es die mit Halbwissen »Ah, Schüttellähmung, hatte mein Vater auch … ab etwa 72. Kann man mit klarkommen«. Nur, bei mir schüttelt nichts, und ich bin zarte 48. Und was diese Tatsache möglicherweise für eine Tragweite hat, möchte ich einem Fremden nicht zumuten. Und mir selbst eigentlich auch nicht.

Und dann gibt es die, die mir kaum glauben … wie die Physiotherapeutin vergangene Woche. »Das hatte ich noch nie!« »Einen Parkinson-Patienten?« »Doch schon, aber NICHT SO JUNG!« (Damit hat sie endgültig bewiesen, dass sie sich nicht die Mühe gemacht hat, vor der Behandlung meine Akte zu lesen.)

Cause things go together better than other …

Dann besser die Unwahrheit behaupten? Wie letzten Samstag, als mich eine Verkäuferin besorgt fragte, ob ich einen steifen Nacken hätte. »So was ähnliches«, lächelte ich zurück. »Ach, das hatte ich auch schon! Sehr schmerzhaft … Sie Arme! … Aber das geht ja zum Glück meist von alleine wieder weg!« Nein. Das geht nicht weg. Weder von alleine noch mit Staatseskorte. Wild horses could not drag it away.

Also doch schweigen? Alles weglächeln, riskieren, für debil gehalten zu werden und innerlich verzweifeln, weil ich weiß: Nichts wird gut.

Wie ist das denn, liebe Leserschaft, mein treuer kleiner Schwarm? Wollen wir lieber belogen oder angeschwiegen werden, weil wir mit solchen Themen in oberflächlichen Begegnungen bitte lieber nicht umgehen müssen wollen? Oder ertragen wir, dass auf unsere harmlose Frage manchmal auch eine Antwort kommt, die eher schwer verdaulich ist? Sicherheitshalber lasse ich mir für die Zukunft einige plausible kleine Lügen einfallen, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Die ausgelöste Verzweiflung mache ich eh mit mir selbst und meinen Nächsten aus.

That’s another cheat on me …

»Gute Besserung!«
»Ach, halt die Klappe!«

Cheat on me | The Cribs
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